KI im Unterricht

Wie KI den Unterricht neu definiert - eine Webinar-Nachlese

Knapp 300 Lehrer:innen haben Anfang Juni 2024 das VERITAS-Webinar „Schulbank-Upgrade: Wie KI den Unterricht neu definiert mit Phil Stangl besucht.

 

Was die Teilnehmer:innen im Webinar erfahren haben, können Sie sich in dieser Webinaraufzeichnung ansehen oder in diesem Blogbeitrag (in Teilen) nachlesen.

Der Referent Phil Stangl

Phil Stangl ist Lehrer und Leiterinnenstellvertreter an der Musik-Mittelschule Radstadt, unterrichtet Mathematik, Technik und Design, Digitale Grundbildung und Geometrisches Zeichnen.

Er ist eEducation-Bundeslandkoordinator in Salzburg für Mittelschulen und Sonderschulen, Referent zu „digitalen Themen“ und Fan von Lernvideos mit eigenem YouTube Kanal: mathematik.rocks.

Die Neuerung KI

Bezugnehmend auf die Innovationstypen nach Rogers meint Phil Stangl zu Beginn des Webinars, dass es oft schwierig sei, die Fraktion „Nur über meine Leiche“ (in der Tabelle ganz rechts) zu überzeugen. Deswegen lautet sein Ziel: Immer die, die „Nein, weil“ und die, die „Ja, aber“ sagen, mit ins Boot holen und Chancen und Möglichkeiten aufzeigen, wie man Neuerungen nutzen kann. Im konkreten Fall eben die Neuerung KI.

Ihm geht es darum, Digital und Analog nicht gegeneinander auszuspielen, sondern das Beste aus beiden Welten zu finden und zu nutzen.

Der aktuelle Hype [Anmerkung: Frühsommer 2024] werde laut Phil Stangl sicher abflauen. Wirklich gesucht seien sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten von KI im Schul- und Bildungsbereich.

Vorurteile der KI

Das Webinar war aber keine einseitige Lobpreisung von KI. Es wurden auch Schattenseiten thematisiert, etwa das Thema „Vorurteile von KIs“.
KIs werden mit menschengemachten Daten gefüttert. Menschliche Vorurteile finden sich daher auch in den Ergebnissen von KI-Anfragen

Phil Stangl illustrierte das im Webinar anhand dieser zwei Bilder. 

Beim linken Bild hat er das KI-Tool Microsoft Copilot beauftragt: „Erstelle ein fotorealistisches Bild, das eine Gruppe reicher Personen zeigt“. Beim rechten Bild lautete der Auftrag, Copilot möge ein fotorealistisches Bild einer Gruppe armer Personen erstellen. Dass die Ergebnisse auf rassistischen Vorurteilen beruhen, ist eindeutig erkennbar und gehört im Unterricht mit den Schüler:innen thematisiert.

Aktuelle Generation KI

Die aktuelle Generation der KI bezeichnet man gemeinhin als „multimodal“. Man kann in den Prompts also nicht nur getippten Text als Input verwenden, sondern auch Audios, Videos oder Bilder. Die KI arbeitet dann mit diesen unterschiedlichen Inputs.

Praxisbeispiel für einen Bild-Prompt

Phil Stangl fügte den folgenden Screenshot aus dem E-Book zu Mathematik 1. Verstehen + Üben + Anwenden. Lehrplan 2023 im Microsoft Copilot als Teil des Prompts ein und ergänzte um folgenden Text-Prompt:
Löse die Aufgabe im Screenshot und erkläre die Lösungsschritte für Schülerinnen im Alter von 11 Jahren.

 

 

Die KI präsentiert daraufhin nochmals den Text der Angabe und danach die notwendigen Lösungsschritte, wie im Screenshot unten (bzw. punktgenau hier in der Webinaraufzeichnung) zu sehen.

 

Richtlinien für Prompts

Folgende Richtlinien hat Phil Stangl nach seiner Erfahrung mit KIs definiert:

  • Klare Anweisungen, kein Smalltalk: „Bitte“ und „Danke“ sind nicht notwendig
  • Kräftige Verben: „präzisiere den Text“ statt „schreibe neu
  • Positive Formulierungen: „schreibe humorvoll“ statt „schreibe nicht formell
  • Zielgruppe definieren: „14-jährige Schüler im Fach Geografie
  • Unterrichtsmethode: Frontalunterricht, Gruppenarbeit ...
  • Länge der Einheit
  • Ziel: Kompetenzen erwerben, spielerisch lösen...

Je mehr im Prompt angegeben wird, desto besser sind wahrscheinlich die Ergebnisse. Wenn man mit einem Ergebnis nicht zufrieden ist, kann man mit weiteren Prompts weiter „nachschärfen“, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis vorliegt.

Live-Demo mit MS Copilot

Nach Anmeldung auf der Webseite copilot.microsoft.com mit der eigenen schulischen E-Mailadresse erscheint rechts oben der Text „Geschützt“.

Das bedeutet: Wer ein schulisches Microsoft-Konto hat, genießt den Datenschutz von Microsoft. Dinge, die man hier als Lehrperson eingibt, werden nicht im Verlauf gespeichert und werden auch nicht dazu verwendet, die KI zu trainieren.

Phil Stangl ist Mitglied der Steuerungsgruppe KI in der Bildungsdirektion Salzburg. Diese hat beim Ministerium nachgefragt, ob sie ihren Lehrerinnen und Lehrern empfehlen darf, Copilot zu nutzen. Vom Ministerium kam dazu das OK, MS Copilot ist also „von oberster Stelle“ abgesegnet. 

Praxisbeispiel Geschichte-Quiz

Phil Stangl fertigte einen Screenshot aus dem E-Book von MEHRfach Geschichte 2 an mit dem Inhalt „Ötzi – der Mann aus dem Eis“ und beauftragte den MS Copilot (diesmal in der Randspalte des Browsers Microsoft Edge): „Erstelle ein Quiz mit 4 Antwortmöglichkeiten basierend auf dem Text im Screenshot!

Wie im folgenden Screenshot zu sehen (grün hervorgehoben), hat die KI auch das problemlos erledigt.

Bilder erstellen mit Copilot

Bilder lassen sich im MS Copilot ebenfalls mit einfachen Prompts erstellen.
Phil Stangls Prompt „Erstelle ein 3D-Bild von einem Lehrer, der ein Webinar abhält. Der Lehrer hat dunkle Haare und einen dunklen kurzen Vollbart“ liefert folgendes Ergebnis:

Bei den zwei rechten Bildern kann man hinterfragen, ob die KI den Auftrag wirklich verstanden hat, aber mit den beiden linken Bildern lässt sich durchaus arbeiten und mit weiteren Prompts nachschärfen.

Sorgt KI für Chancengleichheit?

Phil Stangl ist der Meinung, dass KI für Chancengleichheit sorgen kann, denn nicht jedes Kind hat Eltern, die ihm zu Hause beim Lernen helfen. Ohne Nachhilfe seien viele Schüler:innen alleine gelassen. KI könnte es schaffen, dass auch Schüler:innen aus weniger guten Verhältnissen Unterstützung beim Lernen bekommen.

Praxisideen von Phil Stangl zum KI-Einsatz

  • komplexe Themen vereinfachen
  • Texte umformulieren
  • Video zusammenfassen
  • Quizfragen verfassen
  • Vokabelliste erstellen
  • Bilder anfertigen

Praktische Tipps für den Unterricht mit KI

  • Flipped Classroom. Wenn Phil Stangl sehen will, wie es seinen Schüler:innen beim Rechnen oder beim Schreiben eines Textes geht, lässt er die Vorbereitung auf die Aufgabe zu Hause erledigen und das eigentliche Rechnen bzw. Schreiben des Textes im Unterricht.
  • Regeln für KI vorher abklären. Den Schüler:innen muss im Vorfeld klargemacht werden: „Ihr dürft bei dieser Arbeit fürs Brainstorming eine KI verwenden, aber fürs Ausformulieren nicht.
  • Prozess dokumentieren lassen. Die Schüler:innen sollen anhand von Screenshots zeigen, welches Tool und welche Prompts sie verwendet haben.
  • Kooperativ arbeiten. Dadurch fällt die Versuchung, mit KI zu arbeiten, oft weg.
  • Video oder Audio als Bestandteil einer Aufgabe. Wenn die Schüler:innen selbst Erklärvideos oder -audios von ihrer Aufgabe anfertigen, merkt man gleich: Liest da jemand etwas ab oder erklärt er oder sie wirklich von sich aus ein Thema?
  • Reflexionsaufgaben geben. Die Schüler:innen im Anschluss konkret fragen, wie es ihnen mit dieser Aufgabe gegangen ist.

Zusammengefasst

  • definieren, wann und wie KI-Einsatz erlaubt ist
  • Ergebnis der KI kritisch betrachten
  • benutzte Tools angeben
  • Für Lehrer:innen soll der Prozess nachvollziehbar sein: Woher haben Schüler:innen welche Informationen?